Keine Chance für Energiefresser
André Scherping tauscht bei Sophie Wichmann Glühbirnen gegen LEDs aus.
Aus ihrer Wohnung im 14. Stockwerk hat Sophie Wichmann einen weiten Ausblick auf Hamburg-Altona und den Hafen. "Die Aussicht fällt Besuchern immer zuallererst auf", so die Studentin. Ihr heutiger Gast, Stromsparchecker André Scharping, hat dafür aber kein Auge. Der Caritas-Mitarbeiter wirft vielmehr einen kritisch prüfenden Blick auf alles, was in der Ein-Zimmer-Wohnung zu viel Strom zieht - und damit den Geldbeutel der Bewohnerin leert.
Mit einem Klemmbrett und einer Checkliste bewaffnet macht sich Scherping auf den kurzen Rundgang. Die Wohnung hat nur 36 Quadratmeter, und so wird er schnell fündig: An der Decke der kleinen Küche baumelt eine alte Glühbirne. Der Experte runzelt die Stirn. "Die verbraucht zehn Mal mehr Energie als eine LED-Leuchte!" Der Energieberater der Caritas im Norden kennt sich aus. Seit zweieinhalb Jahren besucht er Haushalte in Hamburg, um versteckte Energiefresser aufzuspüren und Spartipps zu geben.
Der Stromsparcheck wird für Menschen mit geringem Einkommen kostenlos angeboten. Zur Teilnahme berechtigt sind Haushalte, die beispielsweise Bürgergeld, Wohngeld, Kinderzuschlag oder andere Sozialleistungen beziehen. Aber auch Menschen mit einer geringen Rente oder einem Einkommen unter dem Pfändungsfreibetrag können sich anmelden. Seit kurzem dürfen auch Studierende teilnehmen. Alle erhalten die Beratung der Expert*innen gratis - und nicht nur das: Die Haushalte bekommen auch konkrete Hilfen in Form von wassersparenden Duschköpfen, abschaltbaren Steckerleisten und sparsamen Leuchtmitteln. Und wer einen alten Kühlschrank durch ein neues, energiesparendes Gerät ersetzt, erhält bis zu 200 Euro Zuschuss.
Definitiv eine Option für Sophie: Ihr Gerät hat schon 18 Jahre auf dem Buckel, wie der Energieberater beim Blick auf das Label feststellt. "Ich wusste, dass der alt ist, aber soooo alt…?" wundert sie sich. Hier lässt sich eine Menge einsparen. André Scherping: "Mit jedem Jahr verbraucht so ein Teil 10 Prozent mehr Strom wegen der Abnutzung." Seine nächste Frage an die Studentin: "Wie oft kochst und backst du?" Als er erfährt, dass Sophie sich gerne ihre Brötchen im Ofen aufbackt, hat er gleich einen Tipp parat: "Kauf dir eine Heißluft-Fritteuse. Damit sind die Brötchen viel schneller fertig, das spart viel Strom. Den Kaufpreis hast du nach einem Jahr raus."
Beim Einseifen: Wasser abstellen!
Beim Wäschewaschen macht Sophie schon jetzt alles richtig: sie wäscht fast alles nur auf 30 Grad - und spart damit richtig Geld. André Scherping: "Viele alte Leute waschen sogar noch auf 90 Grad, das ist bei denen so drin. Man braucht aber maximal 60, meistens reichen 40 Grad." Auf 60 statt auf 90 Grad zu waschen, spare schon bis zu 40 Prozent Strom.
Im Bad guckt sich der Energieberater den Duschkopf an. Der fällt sofort durch. "Da bringe ich dir nächstes Mal einen neuen mit." Wie oft und wie lange Sophie duscht, möchte Scherping noch wissen und rät ihr: "Beim Einseifen immer das Wasser abstellen."
Beim zweiten Besuch bringt der Energieberater einen wassersparenden Duschkopf mit.
In zwei Wochen wird André Scherping noch einmal bei Sophie vorbeikommen. Dann bringt er ihr LEDs, den Duschkopf und vor allem eine Aufstellung des bisherigen Verbrauchs und der künftigen Einsparungen mit. "Ich rechne das gleich von Kilowattstunden in Euro um. Das ist konkreter." Bisher zahlt Sophie Wichmann monatlich 53 Euro Abschlag für den Strom. "In Zukunft dürften es bis zu 60 Euro im Jahr weniger sein", so Scherpings erste Einschätzung. Der neue Duschkopf werde zusätzlich sechs Kubikmeter Wasser und rund 340 Kilowattstunden Energie pro Jahr für die Erwärmung des Warmwassers einsparen.
Für die Studentin der Sozialen Arbeit hat sich sein Besuch auf jeden Fall gelohnt. "Strom sparen kann jeder, aber viele machen sich einfach keine Gedanken darüber. Dass Glühbirnen so viel verbrauchen, wusste ich zum Beispiel nicht." Sie wird ihren Mitstudierenden erzählen, was sie erfahren hat, und für den Check werben.
André Scherping hat schon weit über 200 Stromsparchecks hinter sich - aber jeder Haushalt ist anders. "Erstmal baue ich ein Vertrauensverhältnis auf. Ich frage ja teils nach sehr persönlichen Dingen." Er erlebt eine "große Dankbarkeit" für seine Arbeit. Bei seinen Besuchen ist es ihm wichtig, auch die Lebensumstände jenseits des Energieverbrauchs zu sehen. "Man kann rausbekommen: was drückt die Leute? Wo können wir helfen, vielleicht auch mit Kooperationspartnern?" Es gebe viele Hilfsangebote in Hamburg - "man muss sie nur kennen!"
"Kann ich das: mit Menschen umgehen?"
Scherping ist gelernter Schlosser, hatte früher eine Tischlerei, dann eine Druckerei. Zuletzt studierte er Game-Programmierung. "IT war schon immer mein Ding. Ich wollte selbst etwas erschaffen, eben Spiele programmieren." Bevor er seine jetzige Stelle fand, war er lange arbeitslos, weil er seine Mutter pflegte. Bei der Caritas bewarb er sich eigentlich als Hausmeister, aber der damalige Landesleiter sah, dass der Stromsparcheck besser für ihn passen würde. Dabei musste Scherping erst eine Hemmschwelle überwinden. "Ich war überrascht, dass ich das kann: mit Menschen umgehen." Vorher sah er sich eher als Computer-Nerd, der am liebsten allein arbeitete. Inzwischen macht ihm die immer wieder neue Begegnung mit Menschen "mehr Spaß, als alles, was ich vorher gemacht habe."