Hamburger Flair mit Hans Hummel und Zitronen-Jette
"Nein, wir sind kein klassisches Krankenhaus", versichert mir Mitarbeiter Thorsten Eikmeier direkt beim "Hallo"-Sagen. Er hat recht, denn Krankenhäuser haben ja immer etwas Steriles. Sie sind neutral und genau so soll auch so sein. Unsere Krankenstube hingegen ist voll Wärme. Die Wärme ist gewollt, denn dieser Ort ist nur für Menschen da, die sonst kein Zuhause haben und auf der Straße leben.
Aber alles auf Anfang: Unsere Krankenstube liegt eingebettet zwischen Hamburger Hafen und der Reeperbahn. Seit fast 25 Jahren werden hier bedürftige und wohnungslose Menschen medizinisch versorgt. Der große Unterschied ist aber der, dass die meisten von ihnen keine Krankenversicherung haben und auch keinen Ort, an dem sie sich mal richtig auskurieren können. Das Leben auf der Straße ist schließlich kein Zuckerschlecken.
Genau deswegen möchten die Pflegenden die Räume auch wohnlicher und behaglicher gestalten, als man es anderswo vorfindet. "Unsere Klient_innen sollen sich die Zeit über heimisch fühlen und Kraft tanken", erzählt Thorsten im Gespräch. Er ist Sozialpädagoge in der Krankenstube und hilft dabei, die Zeit danach vorzubereiten. Gespräche mit Behörden und Ämtern sind nur ein kleiner Teil seiner Arbeit. "Es geht aber auch um die Würde der Menschen", erzählt die Leitung der Krankenstube, Barbara Winter, direkt weiter. Sie hat vor sechs Jahren ihre Arbeit als Intensivkrankenschwester aufgegeben und ist hierher gewechselt. "Als ich das erste Mal hier war und gesehen habe, mit wie viel Würde und Respekt die Patient_Innen behandelt worden sind, wollte ich ein Teil davon sein." Das ist Barbara nun auch und hat ihre Entscheidung nicht einen Tag bereut.
Rund zwanzig Patient_Innen können in der Krankenstube versorgt werden. Die meisten von ihnen haben Haut- oder Atemwegserkrankungen und bleiben vier bis fünf Wochen, um richtig zu genesen. "Eine lange Zeit, und genau aus diesem Grund wollten wir die Zimmer auch gemütlicher gestalten", erzählt Thorsten Eikmeier. "Gesund werden sollte man schließlich an einem Ort, wo man sich auch wohlfühlt." Mit diesem Anliegen im Kopf hat Thorsten den Künstler Jannik Paeth kontaktiert. Die beiden kennen sich schon viele Jahre über den Fußball. Jannik ist ein Hamburger Künstler, der sich unter dem Namen Kid Overhead (instagram.com/kidoverhead) für viele soziale Projekte in und um Hamburg einsetzt. Als er die nackten, weißen Wände in den Patientenzimmern gesehen hat, wollte er sie unbedingt mit Leben füllen. Dies tut er nun Stück für Stück seit 2019. Jedes Bild ist ein Unikat und zeigt Persönlichkeiten aus Hamburg, die ähnlich wie unsere heutigen Klient_innen nicht immer auf der Sonnenseite des Lebens gestanden haben. So sieht man zum Beispiel die Zitronen-Jette, die im 19. Jahrhundert Südfrüchte verkauft hat und dabei oft verspottet wurde. Ähnlich bekannt ist der Wasserträger Hummel, dem die Kinder viele Streiche spielten, weil er immer schlecht gelaunt war.
Wenn man also durch die Räume geht, sieht man die Menschen von früher, aber irgendwie auch von heute. Es hat sich anscheinend nicht so viel verändert, denn Spott und Hänseleien sind noch immer Alltag für alle, die nicht der Norm entsprechen. Die Bilder zeigen aber auch, dass Normen sich ändern können, denn Hans Hummel und Zitronen-Jette sind heute Kult und ein wichtiger Teil der Hamburger Identität geworden.
Dies weiß auch der Künstler Jannik Paeth, der in den kommenden Wochen das letzte weiße Zimmer bunt machen wird. Welches Motiv er dafür wählt, dürfen wir noch nicht verraten. Wir begleiten die Entstehung aber auf unseren Social-Media-Kanälen und nehmen jeden, der mag, gerne dabei mit.