FBL? Was ist denn das?
Christoph Schlegel, Einrichtungsleiter Fachdienst Besondere Lebenslagen
CARInews: Christoph, was steckt hinter den drei Buchstaben?
Christoph Schlegel: Die drei Buchstaben stehen für "Fachdienst Besondere Lebenslagen". So heißt unser Dienst hier in Schwerin. Wir sind ein Team aus zehn hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Ganz konkret unterstützen wir in unseren Einrichtungen Menschen, die zum Beispiel von Wohnungslosigkeit bedroht oder betroffen sind, eine Stromsperre haben, mittellos sind, vielleicht auch ihre Post nicht mehr öffnen oder mit Sanktionen belegt sind, die alleine ihre Situation nicht verbessern können und denen dadurch eine Verschlimmerung ihrer Lage droht. Diese Menschen haben einen Anspruch auf Hilfe - und genau dafür sind wir da. Wir sind damit Teil der kommunalen Daseinsvorsorge. Dieses ist unter anderem im Sozialgesetzbuch (SGB) XII geregelt.
Ich bin jetzt über zwanzig Jahre in dem Bereich tätig und habe erlebt: Krisen kommen in allen sozialen Schichten vor. Die Angst und Ohnmacht in Momenten, in denen es augenscheinlich nicht mehr weitergeht und wo man die persönlichen Grundlagen bedroht oder als nicht mehr vorhanden erlebt, ist bei jedem Menschen gleich. Wenn es dann kein entlastendes Netzwerk aus Familie, Arbeitskollegen oder Freunden gibt, wird es schwierig. Spätestens dann sollten sich Betroffene Hilfe suchen - mindestens jemanden bitten, bei der Suche zu helfen.
Das Wörtchen "besonders" in eurem Namen muss man also wörtlich nehmen?
Ja, ganz genau. Die Menschen, die durch uns betreut werden, eint, dass sie in jeweils schwierigen persönlichen Lebenssituationen den Weg in unsere Einrichtung gefunden haben. Wir helfen auf unterschiedlichen Ebenen, eine bestmögliche Lösung für die Bewältigung ihrer Probleme zu finden.
Wie sieht das konkret aus?
Wie schon erwähnt, ist unsere Hilfe in Gesetzen und Verordnungen geregelt und die Durchführung mit den Kostenträgern vereinbart. Das ist schon mal wichtig für den Beginn einer Hilfe. Die Menschen kommen nicht als Bittsteller zu uns, die es nicht hingekriegt haben, ihr Leben zu organisieren, sondern als Anspruchsberechtigte. Es ist zweitrangig, was jemand vor langer Zeit hätte anders machen können. Das wissen sie meist selbst am besten. Es zählt die Situation, wenn sie unser Haus betreten oder wir das erste Mal Kontakt zu ihnen haben. Wir versuchen dann, Vertrauen aufzubauen, vielleicht noch zu retten, was zu retten ist, Informationen zu geben und Wege aufzuzeigen, denn auch wenn die Menschen in großer Not sind, spielt Scham immer auch eine große Rolle. Es ist wichtig, dass wir Ihnen Sicherheit geben und das Gefühl: Du bist nicht allein. Als zweites geht es dann darum, ein Stück weit Normalität zu schaffen und Selbsthilfekräfte einzubeziehen beziehungsweise diese zu wecken. Dazu gehört, dass jeder eine sichere Bleibe, vielleicht ein eigenes Bankkonto, täglich etwas zu essen, eine Krankenversicherung, Perspektiven für sein Leben und gegebenenfalls Kontakt zu anderen notwendigen Fachdiensten haben sollte. Mit den Hilfesuchenden arbeiten wir uns Stück für Stück vor und schaffen dadurch wieder ein Grundvertrauen in die eigenen Fähigkeiten, das eigene Leben wieder in den Griff zu bekommen.
Dieses Grundvertrauen in die eigenen Fähigkeiten wiederherzustellen, ist sicher nicht so leicht, oder?
Ganz genau. Das ist eine große Hürde. Die Angst vor Rückschlägen, neuen Problemen oder vielleicht wieder zu versagen, ist verständlich und gehört auch dazu. Es dauert daher auch, bis wir mit unserer Hilfe dem Ziel nahekommen oder es sogar erreichen. Bei manchen Hilfen sind es Wochen, bei anderen auch mal Jahre.
Wie finanziert ihr euch?
Unsere Hilfe wird vom zuständigen Kostenträger finanziert. Das macht die Arbeit manchmal etwas schwierig, weil die Hilfesuchenden dort in Paragrafen und somit auch Geldtöpfe eingeordnet werden und ihr künftiger Hilfebedarf bewilligt werden muss. Dazu muss den zuständigen Mitarbeiterinnen oder Mitarbeitern im Amt die aktuelle Situation so dargelegt werden, dass sie diese auch verstehen und belastbar einschätzen können. Für die Menschen, um die es geht, ist es jedoch schwierig, zu einem Amt Vertrauen zu gewinnen, dort Persönlichstes zu erzählen und somit den eigenen Hilfeanspruch zu begründen.
Was wünschst du dir?
Persönliche Schicksale von Menschen sind oft nicht genau in Gesetzestexten, Verordnungen oder Paragrafen beschrieben. Da gibt es, wenn man will, sehr viele Grauzonen, Interpretationsmöglichkeiten oder andere durch den Kostenträger zu überprüfende Sachverhalte. Dieses darf bei Vorliegen der Hilfevoraussetzungen einer Hilfe zwar nicht entgegenstehen, schafft aber Unsicherheit für einen zielgerichteten und situationsangemessenen Hilfebeginn. Ich wünsche mir Vertrauen in unsere Arbeit und natürlich auch in die Motivation der Hilfesuchenden, ihr Leben mit den ihnen vorhandenen Kräften so allein wie möglich regeln zu wollen und zu können. Schließlich ist Aufgabe unserer Hilfe auch, eine Wiederverschlimmerung der Lebenssituation zu verhindern. Jeder hat eine andere Art, mit Schicksalsschlägen, Problemen, Sorgen und Nöten umzugehen, aber genau das macht uns doch auch alle so einzigartig.