Psychosoziale Krebsberatung
Die Psychosoziale Krebsberatung der Caritas Lübeck. Eine Arbeit zwischen Krankheitsbelastung und Lebensfreude, zwischen Anstrengung und Energieschub.
Alles gerät ins Wanken
Das Bild entstand wie viele andere Bilder in der Malgruppe der Krebsberatung Lübeck und wurde von einer krebskranken Patientin unter Anleitung einer Kunsttherapeutin gemalt. Ziel dieser Gruppe ist es bis heute, dass die PatientInnen in Kontakt mit ihren inneren Bildern und Gefühlen treten können. Manche malen frei, manche suchen sich ein berühmtes Bild als Vorlage.
Durch die Diagnose Krebs werden alle Lebensziele, Inhalte und Werte plötzlich in Frage gestellt. Familie, Beruf und das soziale Umfeld werden in Mitleidenschaft gezogen. Fragen wie: "Wie gehe ich mit der Erkrankung um?" "Was kann ich tun, wenn ich Angst habe?". Aber auch: "Wer hilft mir bei finanziellen Fragen?" und: "Wer betreut meine Kinder während meiner Behandlung?" kommen auf und müssen beantwortet werden. Eine onkologische Erkrankung kann also biographische Entwürfe und Lebensplanungen grundlegend in Frage stellen. Meine Klienten überdenken ihr bisheriges Leben, ihre Ziele und Rollen. Dies erzeugt in den meisten Betroffenen und deren Familien vielfältige Unsicherheiten und wird häufig vom Verlust an Orientierung begleitet. Und nicht selten gewinnen in der Vergangenheit gemachte biographische (Krisen-)Erfahrungen oder schwelende Konflikte an Dynamik und Schärfe. Das seelische Gleichgewicht gerät dabei ins Wanken: Ängste, Hilflosigkeit und Kontrollverlust treten an die Stelle von Vertrauen und Sicherheit.
Beratung schafft Orientierung
Es ist die Aufgabe der ambulanten Psychosozialen Krebsberatungsstelle, hier Unterstützung in Einzel-, Paar- oder Familiengesprächen - ob einmalig oder fortlaufend - anzubieten. Das Leistungsspektrum umfasst u.a. psychoonkologische Unterstützung, Informationsvermittlung, psychosoziale und sozialrechtliche Beratung. Hier erhalten Betroffene und Angehörige Informationen und praktische Unterstützung zu finanziellen und beruflichen Fragen, zu gesetzlichen Leistungsansprüchen (Krankengeld, Rente), zur medizinischen und beruflichen Rehabilitation und bei der Anerkennung als Schwerbehinderter. Wir haben Angebote, um mit den durch die Erkrankung bedingten Veränderungen (Haarverlust, Nebenwirkungen) besser zurechtzukommen und bieten Beratung und Gespräche an, wenn die Erkrankung belastende Auswirkungen auf Partnerschaft, Familie und Freundeskreis hat.
Oder wir helfen bei der Suche nach einem geeigneten Therapieplatz und in einer akuten seelischen Krise und informieren welche weiterführenden Unterstützungsmöglichkeiten (Kosmetikseminar, Ernährungsberatung, Sportangebote u.a.) genutzt werden können. Ergänzend können Betroffene Selbsthilfegruppen und themenspezifische Gruppen aus den Bereichen wie z. B. Malerei und Sport in Anspruch nehmen. So entstanden in der Aquarellmalgruppe die Bilder für diesen Bericht. Weitere Selbsthilfegruppen z. B. für Angehörige an Krebs erkrankter Menschen je nach Angebot/Verfügbarkeit - bitte melden Sie sich in unserer Beratungsstelle.
Die Psychosoziale Krebsberatung behält also im Dschungel der Angebote den Überblick, kann Orientierung, Informationen und Weitervermittlung bieten, entlastet durch Gesprächsangebote und kann einen sicheren "Raum" zur Verfügung stellen, um schwerwiegende Lebensfragen zu thematisieren und die nächsten Schritte gemeinsam zu erarbeiten. Dabei helfen seit der Gründung der Psychosozialen Krebsberatungsstelle im Jahr 1977 auch die Kontakte, Kooperationen und das onkologische Netzwerk hier in Lübeck und Umgebung mit.
Die Intensität steigt, Energien werden frei
Trotz des Schocks der Krebsdiagnose, trotz all der Ängste, der Wut und des Leides, die die Krebserkrankung und die häufig lange Behandlungszeit mit sich bringen: Ähnlich einer Münze hat nichts im Leben nur eine Seite, denn es gibt keine Münze mit nur einer Seite. Und so gibt es kein Leben, in dem ausschließlich Freude oder nur Leid auftritt. Deshalb kann die Diagnose Krebs und die damit einhergehende Beschäftigung mit dem eigenen Leben auch zu mehr Klarheit und sogar zu einer größeren Entscheidungsfreudigkeit und Genuss führen. Die Besinnung auf das, was bis jetzt war und das was bleiben soll. Sich pflegen zu dürfen, verwöhnen zu dürfen, nicht nur Forderungen erfüllen zu müssen und sich Gutes zu tun, erhält (wieder) mehr Gewicht. Da werden z.B. lange gehegte Reisewünsche kurzfristig umgesetzt, nun endlich eine Patientenverfügung erstellt oder Energien freigemacht, den Arbeitsplatz nach Beendigung der Behandlung zu wechseln. Und Freizeitaktivitäten und Kontakte gewinnen einen anderen Stellenwert. Ein Hauch, eine Idee einer positiven Veränderung entsteht. In jedem Leben gibt es immer wieder Veränderungen. Nichts gilt für immer. Die Münzen werden ständig neu geworfen. Mal liegt die Freude oben, mal das Leid, manchmal sogar beides gleichzeitig. Eins ist ohne das andere nicht denkbar. Nur weil wir nicht alle Seiten immer und in jedem Moment sehen können, existieren sie dennoch.
Petra Stürzer, Beraterin in der Psychosozialen Krebsberatung der Caritas Lübeck.
Die Psychosoziale Krebsberatung der Caritas in Lübeck wird gefördert durch die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV).