„Gedenke Mensch, dass du Staub bist und zum Staube zurückkehrst!“
Es wird nur zu uns sprechen, wenn wir auf das Leben hören. Wenn wir das, was unsere Existenz ausmacht, zumindest auch, und zwar wesentlich - ausmacht, nicht ignorieren und verdrängen. Auch nicht schönreden oder übertönen oder wegrationalisieren. Es wird nur zu uns sprechen, wenn wir das Leben sich ganz aussprechen lassen. Dann werden Freudentaumel ebenso deutlich wie Abgründe der Angst und Not. Nur wenn wir unser Leben ganz annehmen, sagt uns unsere eigene "Staubexistenz", unsere Hin- und Anfälligkeit vielleicht etwas ganz Wesentliches, etwas das uns unbedingt angeht - im Leben und im Tod.
Ein großer Theologe, der auch ein großer Beter war, Karl Rahner, sagt es so:
"So erfährt sich der Mensch als Staub... Mensch der Schmerzen, Mensch der verwehten Ratlosigkeit, Mensch, der sich immer wieder in Sackgassen verläuft, Mensch, der sich und andere quält... Mensch, der immer von der Verzweiflung bedroht ist." (Rahner, Aschermittwoch)
Wie kann die Annahme unserer Schwäche geschehen, die wir uns am liebsten oft gar nicht eingestehen möchten?
Das Symbol des Aschekreuzes am Aschermittwoch kann uns hier eine Hilfe sein. Denn das Kreuz wird auf die Stirn gezeichnet im Kirchenraum. In jenem Raum, in dem Christen sich versammeln, um...? Ja, um was eigentlich? Und warum versammeln sich Christen überhaupt? Sie versammeln sich um den Altar und um das Kreuz. Um sich immer wieder zu vergewissern, sich gegenseitig zu bestärken und zu ermutigen. Ermutigen, wozu? Dass wir nicht aus eigener Ermächtigung heraus leben. Dass wir nicht dem Zufall entsprungen sind, sondern dass wir geliebt sind - von Anfang an, bedingungslos. Dafür steht das Kreuz, das auf eine Liebe verweist, die buchstäblich bis zum Tode hinabreicht. Und dafür steht der Altar, der Tisch, an dem sich alle versammeln, von dem niemand ausgeschlossen ist. Eingeladen von IHM, den wir Gott nennen, dessen Liebe grenzenlos ist und die uns einlädt, ja, die uns ins Leben einlässt. Ermutigung, die Option Glauben zu wagen. Nur wenn wir die Option Glauben im Leben setzen, können wir auch unsere "Staubexistenz", unsere Schwächen und Ängste annehmen.
"Nur in der Liebe haben wir Menschen einen Wert, der unvergänglich ist, und nur die Liebe wird an die Unvergänglichkeit glauben. Dass wir zu ihr berufen sind, dies lernen wir nur in der Gegenwart eines anderen Menschen, der uns sehr liebhat und den wir sehr lieben..." (1)
So sagt es ein anderer Theologe, Eugen Drewermann, der einen Lebensrückblick wagt unter der Überschrift: "Wir glauben, weil wir lieben." Liebe und Tod - diese beiden Pole bestimmen unser Leben. Der Tod, die Hinfälligkeit werden uns gezeigt, um sie nicht zu verdrängen. Doch die Annahme unserer Hinfälligkeit setzt voraus, dass uns zuvor gesagt wurde: "Ich liebe dich. Bedingungslos!" Daran glauben Christen. Darum lassen wir uns das Aschenkreuz auf die Stirn zeichnen. Und zwar im Kirchenraum, weil wir auf die Option Glauben setzen. Wer auf Glauben im Leben setzt, sagt, dass das erste und letzte Wort unserer Existenz die Liebe ist.
(1) Eugen Drewermann "Leben, das dem Tod entwächst", Düsseldorf, 1991, S. 73 f