„Ich bin hier an der richtigen Stelle.“
In seiner irakischen Heimat bewegte sich Almansoori noch in ganz anderen beruflichen Welten: Nach einem erfolgreichen Abschluss in Betriebswirtschaftslehre und Finanzwesen vor 20 Jahren arbeitete Almansoori in der Buchhaltung und Steuerberatung sowie als Gutachter. Die Ereignisse vor und während seiner Flucht nach Europa lösten dann ein grundlegendes Umdenken in ihm aus. "Ich habe neu darüber nachgedacht, was für den Menschen im Leben wichtig ist, egal wo. Das sind soziale Kontakte und Hilfsbereitschaft." Heute hält er es für "tausend Mal besser, etwas für Menschen zu tun und zu helfen, als am Schreibtisch zu sitzen und mit Finanzen zu arbeiten".
Nach seiner Ankunft in Deutschland war Almansoori anfangs in Bad Segeberg untergebracht. Hier musste er mehrere Monate auf seine Papiere warten. "Danach hatte ich Glück, dass ich nach Lübeck kam", erinnert er sich. Die historische Altstadt hat es ihm angetan. Von seiner Gemeinschaftsunterkunft im Süden der Stadt aus begab er sich auf Jobsuche. "Ich habe im Internet eine Stelle gesucht und mich in mehreren Heimen beworben." Seit Mitte April arbeitet er nun halbtags als ungelernte Pflegehilfskraft im Caritashaus Simeon in der Hartengrube mit. Sein Arbeitsweg ist denkbar kurz, denn er bewohnt inzwischen ein Personalzimmer im 4. Stockwerk des Hauses. Er ist immer nachmittags im Einsatz, denn vormittags verbessert er in einem Online-Deutschkurs seine Sprachkenntnisse. Im Herbst muss er seine Prüfung für das B2-Sprachniveau bestehen - die Voraussetzung für seine Ausbildung zur Pflegefachkraft.
Ein gutes Team: Regina Oster und Omer Almansoori lernen voneinander.
Omer Almansoori möchte jeden Tag dazulernen, um sich das nötige pflegerische und medizinische Wissen anzueignen. "Wir lernen alle voneinander", sagt Almansooris Kollegin Regina Oster. Sie hat die Erfahrung gemacht, dass Almansoori im Zweifel bei den erfahreneren Mitarbeitenden nachfragt und sich vergewissert: "Habe ich das so richtig verstanden?" Sie kennt ihn erst seit ein paar Wochen, aber "seitdem hat sich sein Deutsch schon sehr verbessert".
Neben dem fachlichen Können steht für den 42-Jährigen die menschliche Zuwendung, die er den Bewohnerinnen und Bewohnern geben kann, im Mittelpunkt. Wer ihn bei seinem Dienst im Wohnbereich begleitet, merkt schnell: Er hat ein offenes Ohr für die Bedürfnisse der alten Menschen und möchte, dass es ihnen gutgeht. Sprachliche Verständigungsschwierigkeiten gleicht er mit Empathie aus: "Manchmal reicht ein Blick in die Augen, um sich zu verstehen."
Omer Almansoori bewundert die Handarbeit von Bewohnerin Edith Hansen.
Den Senioren freundlich und respektvoll zu begegnen, ist für den Iraki selbstverständlich: "In meiner Kultur und in meinem Denken gehört sich das so. Diese Menschen verdienen es, dass ich mich um sie kümmere!" Dazu gehört auch die Wertschätzung für die Begabungen der Senioren - so bei Bewohnerin Edith Hansen. Als Omer Almansoori in ihr Zimmer kommt, strickt sie gerade bunt gemusterte Socken für ihr Enkelkind. Der 42-Jährige bewundert ihre Arbeit: "So schön, wie Sie das machen, so sorgfältig!" Er scherzt, dass er auch gerne stricken lernen will. "Dann schenke ich Ihnen ein Paar Socken!" Ihm ist bewusst, dass er im Alter vielleicht selbst auch auf Hilfe angewiesen sein wird. "Gesundheit kann von heute auf morgen gehen. Solange ich stark bin, unterstütze ich andere."
Im Haus Simeon hat sich Almansoori schnell eingelebt: "Ich bin erst seit ein paar Wochen hier, aber es kommt mir vor, als wären es schon Jahre." Mit dem Team und "seinen" Bewohnern fühlt er sich rundum wohl, und er ist sicher: "Ich bin hier an der richtigen Stelle."
Aufmerksamer Zuhörer: Omer Almansoori im Gespräch mit Bewohnerin Sabine Marquard.